Yardena Malka, Project Management & Text
yardena.malka@amstutz.partners
12. März 2022
Das Brand Language Manual:
Ein Leitfaden, kein Grenzwächter
Die Brand Language gehört heute zu einem Unternehmen wie der Markenname oder das Logo. Die festgelegten sprachlichen Regeln entsprechen oftmals dem modernen, journalistischen Schreiben – doch wenn es so einfach wäre, läge jedem Unternehmen dieselbe Grundlage vor. Wie verbindet man also Normen mit einer individuellen Identität? Wie definiert man eigene Standards, die trotzdem einem zeitgemässen Schreiben
entsprechen? Und müssen sie das überhaupt?
Der erste Eindruck
Stellen wir uns vor, wir treffen eine Person zum ersten Mal in einem Restaurant. Adretter Kleidungsstil, lässiger, selbstbewusster Auftritt – und dann schmettert sie, selbst für die Gäste am anderen Ende des Raums unüberhörbar, in so derber Sprache einen Monolog hin, dass wir es nur schwer ertragen und danach die Flucht ergreifen. Egal wie gut der erste, äussere Eindruck gewirkt hat, die Ausdrucksweise ruiniert das Gesamtbild. Nicht anders verhält es sich bei der Kommunikation eines Unternehmens. Egal wie ausgefallen der Markenname oder wie einzigartig das Design oder das Logo sind, die Art und Weise der Kommunikation ist das Zünglein an der Waage.
Das Unternehmen sprachlich positionieren – eine Herausforderung
Wer einprägsam kommunizieren will, überlässt weder Wortwahl noch Sprachstil dem Zufall. Das umfasst nicht nur die Kommunikation nach aussen. Die Mitarbeitenden sind es, die ein Unternehmen prägen – und somit sowohl den internen Umgangston als auch die Identität. Selten beschäftigt ein Unternehmen jedoch ausschliesslich ausgebildete Texterinnen und Texter. Vielmehr sind es Mitarbeitende, die im Arbeitsalltag Texte erstellen. Ein Brand Language Manual schafft daher vor allem für sie einen einheitlichen und verständlichen Leitfaden. Was bei den Mitarbeitenden sprachlich sowie stilistisch verankert ist, kann in der Kommunikation schwer scheitern.
Regeln wie: «Schreiben Sie verständlich» oder «Vermeiden Sie Substantivierungen» helfen jedoch keinem Mitarbeitenden. Wer schreibt schon bewusst kompliziert, statt einfach? Oder grammatikalisch falsch, statt richtig? Ein Brand Language Manual sollte vielmehr ein konkreter Leitfaden sein: «In einem Satz nicht mehr als drei substantivierte Verben verwenden», ist eine konkrete Regel. «Substantivierungen erkennen wir unter…», ist eine konkrete Erläuterung und ein ergänzendes Negativ- und Positivbeispiel dient als konkrete Veranschaulichung
Das Brand Language Manual als Kommunikationsmittel
Die Anforderungen an ein Brand Language Manual sind hoch: Nicht zu umfangreich, doch die relevanten Mitarbeitenden dazu befähigen, Texte gemäss Markensprache zu verfassen. Einfach in der Anwendung, und doch jede Art von Publikation abdecken – von der Medienmitteilung bis hin zum Stelleninserat. Die Kür gehört jedoch dem zielgruppengerechten Vermitteln dieser «trockenen Materie»: die Mitarbeitenden sollen die Regeln nicht nur lesen, sondern auch anwenden können – und das gerne.
Deshalb gilt vom ersten Satz an: Interesse wecken. Dabei gestaltet jedes Unternehmen den Einstieg in das Brand Language Manual individuell. Einige starten mit der Philosophie dahinter, mit den Zielen und Rahmenbedingungen. Andere geben einen Ausblick in den Inhalt und weitere starten direkt mit den Ideen für besseres Schreiben. Egal wie – es muss zur angestrebten Unternehmensidentität passen.
Nach dem Interesse kommt die Identifikation. Und keiner identifiziert sich mit verstaubten Formulierungen. Das Brand Language Manual selbst ist ein Kommunikationsmittel und sollte nach eigenen Standards verfasst sein. Griffige Formulierungen helfen, die Regeln besser im Gedächtnis zu verankern: «Wortarchitektur statt Klemmkonstruktionen» oder «Leere Floskeln sagen auch schön verpackt nichts aus» sind ein klares Statement und nicht nur ein unangenehm erhobener Zeigefinger. Wichtig für die Identifikation ist auch die Frage: «Wofür stehen wir? Was wollen wir nach aussen vermitteln?». Das Brand Language Manual enthält nicht nur die Kernaussagen der Markenwerte, sondern leitet davon den gewünschten Schreibstil ab. Schreibt sich ein Unternehmen also «partnerschaftlich» auf die Fahne, gehört die adressatengerechte Sprache klar definiert.
Identitätstiftendes Arbeitsinstrument
Ein Brand Language Manual legt folglich das Fundament für jegliche Kommunikation. Es schafft klare Richtlinien, verhindert Missverständnisse, gilt als Schiedsrichter in stilistischen Disputen und hilft bei der Identifikation mit dem Unternehmen – sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei allen weiteren Anspruchsgruppen. Aber: Es lässt auch genügend Spielraum für die Kreativität der Schreibenden. Texte nach Baukasten-Prinzip sind nicht das Ziel. Ziel und Anspruch sind es auch nicht, aus jedem Mitarbeitenden eine Profi-Texterin oder einen Profi-Texter zu machen. Ein Brand Language Manual wird vor allem von der Kommunikationsabteilung genutzt. Dort spricht das Manual für sich selbst. Damit die Regeln unternehmensweit umgesetzt werden, vermitteln diese Kommunikationsprofis dessen Inhalte intern weiter: Dies kann anhand von Workshops oder gemeinsamen Textsessions geschehen.
Nicht in Stein gemeisselt
«Zeitgemässes Schreiben» bleibt jedoch nur zeitgemäss, wenn es langfristig Platz für Anpassungen in der Wortwahl und Tonalität lässt. Das Brand Language Manual ist ein laufendes Projekt, kein abgeschlossenes Regelwerk. Und wenn es zur eigenen Marke und Identität passt, kann man das «zeitgemäss» auch komplett ignorieren und seine ganz eigene Sprache im Unternehmen durchsetzen. Grundsätzlich sollte man journalistische Standards mit den Markenwerten verbinden. Es ist aber auch eine erfrischende Ausnahme, wenn dies nicht geschieht. Wichtig ist nur: authentisch bleiben.