René Amstutz, Geschäftsführer
rene.amstutz@amstutz.partners
13. März 2022
Integriertes Marketing
Logisch in der Theorie – herausfordernd in der Praxis
Integriertes Marketing ist ein strategischer Ansatz, um sämtliche Marketingaktivitäten aufeinander abzustimmen und konsequent auf die Kundenbedürfnisse auszurichten. Dies mit dem Ziel, einen stringenten Auftritt über alle Touchpoints hinweg zu gewährleisten und so eine positive Customer Experience zu schaffen. Klingt nachvollziehbar und logisch. Soweit die Theorie. Doch bei der praktischen Umsetzung tun sich viele Unternehmen weiterhin schwer. Eine Spurensuche.
Die Bedeutung einer gut orchestrierten Customer Journey für die Schaffung positiver Kundenerlebnisse ist den meisten Unternehmen bewusst. Gemäss Studien hat das Bewusstsein für die Relevanz des Touchpoint Managements in den letzten Jahren stetig zugenommen. Mehr noch: Es wird als ein zentraler Faktor für den Unternehmenserfolg genannt. Hingegen verharrt die professionelle und ganzheitliche Ausgestaltung der Kontaktpunkte auf verhältnismässig tiefem Niveau. Wo liegen die Gründe für die Diskrepanz zwischen der hohen Relevanz und der mangelhaften Umsetzung? Anhand von vier kritischen Erfolgsfaktoren haben wir uns auf Spurensuche begeben und einige praktische Lösungsansätze zusammengestellt.
Thema «Komplexität»
Fokussierung statt Aktivismus
Einer der Hauptgründe, weshalb sich Unternehmen mit dem Thema «integriertes Marketing» so schwertun, ist die hohe Komplexität. Nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung verfügen bereits mittelgrosse Unternehmen über 200 bis 300 Touchpoints. Hier mit blindem Aktivismus jeden einzelnen Kontaktpunkt perfektionieren zu wollen, ist weder zielführend noch notwendig. Denn glücklicherweise hat nicht jeder Touchpoint die gleiche Relevanz. Aus Erfahrung ist für potenzielle Kunden nur rund ein Fünftel der Kontaktpunkte von Bedeutung.
Und hier beginnt der schwierige Teil: welche Touchpoints sind relevant? Eine detaillierte Analyse der Journey ist dazu unabdingbar. Denn es braucht zuerst eine vollständige Übersicht aller Kontaktpunkte, um sie anschliessend zu priorisieren. Diese Priorisierung steuert dann die Allokation der Mittel zur bedürfnisorientierten Ausgestaltung der einzelnen Kontaktpunkte. Doch ganz so einfach ist es leider nicht. So wie es nicht den Kunden gibt, existiert auch nicht die Customer Journey. Je nach Kunde gibt es Unterschiede. Die Bildung von Kundengruppen und eine Fokussierung auf die wichtigsten Journeys sind hier hilfreich.
Thema «Organisation»
Kundenorientiert statt prozessorientiert
Klassische Aufbauorganisationen orientieren sich häufig noch an Produktionsprozessen. Eine nahtlose Customer Journey, welche sich kompromisslos an den Kundenbedürnissen orientiert, hat leider immer noch Seltenheitswert. Die einzelnen Kontaktpunkte werden von verschiedenen Abteilungen betreut. Während die Marketingabteilung häufig die Hauptverantwortung trägt, beeinflussen viele weitere Bereiche die Customer Experience: Verkauf, Kundenservice, Kommunikation, PR, Produktmanagement und viele mehr. Obwohl sich viele Unternehmen dieser Tatsache bewusst sind, findet nur selten eine professionelle Koordination der Aktivitäten statt. Interne Strukturen und Prozesse sind vielfach festgefahren.
Hier braucht es ein Umdenken und ein abteilungsübergreifendes Konzept für integriertes Marketing. Diese Grundlagen bilden dann das Fundament für die konsequente Anpassung von Organisationsstrukturen und Prozessen. Verbunden mit klaren Zielvorgaben hilft es, die Entwicklung in die richtige Richtung zu treiben. Damit das Konzept in der Praxis jedoch erfolgreich umgesetzt werden kann, braucht es eine übergeordnete verantwortliche Person. Diese Person ist für die professionelle Ausgestaltung der Kontaktpunkte und damit für eine stimmige Customer Journey zuständig. Diese Funktion muss mit sämtlichen Kompetenzen ausgestattet sein und auch eine Weisungsbefugnis gegenüber abteilungsfremden Stellen beinhalten. Nur so lassen sich kundenorientierte Prozesse erfolgreich implementieren und managen.
Thema «Mindset»
Kooperation statt Silodenken
Jede Abteilung fokussiert sich in erster Linie auf ihren Teil der Customer Journey. Das ist zwar gut so, aber ohne den Blick fürs Ganze und eine entsprechende Koordination der Aktivitäten lässt sich keine positive Customer Experience schaffen. Doch woher kommt diese eingeschränkte Sichtweise? Die Gründe sind vielfältig: mangelnde Professionalität, Angst vor Kompetenzverlust oder fehlende Kooperations- und Koordinationsbereitschaft. Am Ende resultiert daraus eine inkonsistente Customer Journey. Und wie es so ist, bleiben beim Kunden dann eher die negativen Erlebnisse hängen.
Eine stringente Ausgestaltung der Customer Journey ist deshalb ein zentraler Faktor für den Unternehmenserfolg. Diese Tatsache und das Ziel, eine optimale Customer Experience zu gestalten, muss bei allen Involvierten an erster Stelle stehen. Erfolgreiches integriertes Marketing bedingt entsprechende unternehmenskulturelle Voraussetzungen. Es braucht ein klares Commitment des Top-Managements verbunden mit gezielten Massnahmen zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Regelmässige abteilungsübergreifende Workshops und Events helfen Verständnis zu schaffen und sind gleichzeitig ein gutes Instrument zur Teambildung. Ausserdem braucht es klare, übergeordnete Zielvorgaben und KPI’s, welche nur gemeinsam – über alle Abteilungen hinweg – erreicht werden können. Erfolgreiches Touchpoint Management funktioniert nur unternehmensweit.
Thema «Führung»
Entschlossenheit statt Ignoranz
Die zielführende Ausgestaltung der gesamten Customer Journey erscheint den Verantwortlichen vielfach als fast unlösbare Herkulesaufgabe. Die hohe Komplexität aufgrund der zahlreichen abteilungsübergreifenden Touchpoints verhindert häufig entschlossenes Handeln. Das Thema wird deshalb bewusst ignoriert.
Hier ist das Management gefordert. Es muss das Touchpoint Management zur Chefsache erklären und das Thema ganz oben auf die Agenda setzen. Die notwendigen Ressourcen müssen bereitgestellt sowie Strukturen und Prozesse angepasst werden. Die mit der Ausgestaltung der Customer Journey betrauten Stellen brauchen während des gesamten Prozesses klare Zielsetzungen und Vorgaben, aber auch die volle Unterstützung des Top-Managements.
Die Schaffung einer positiven Customer Experience durch konsequentes Touchpoint Management ist für Unternehmen überlebenswichtig – ob sie es wahrhaben wollen oder nicht. Wer sich auf die wesentlichen Touchpoints fokussiert, die abteilungsübergreifende Kooperation fördert und so die Organisation und Prozesse kompromisslos auf die Kundenbedürfnisse ausrichtet, wird langfristig zu den Gewinnern gehören.
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