Matthias Jaun, Consultant
matthias.jaun@amstutz.partners
14. März 2022
KONZEPTE IM MARKETING
Kostenfallen oder Hilfsmittel?
Dazu braucht es ein Konzept! Während die einen bei dieser Aufforderung Freudensprünge machen, bringt man die anderen wortwörtlich aus dem Konzept. Die Begeisterten sehen darin ein pragmatisches Vorgehen zur Zielerreichung und die «Gegner» ein ineffizientes Hin und Her und die Verschleuderung von Ressourcen. Unser Standpunkt als Marketingagentur lässt sich erahnen. Aber auch für uns macht es teilweise den Anschein, als bestünde Marketing nur noch aus Konzepten. Höchste Zeit also, das Thema zu beleuchten, Stellung zu nehmen und einen Einblick in unsere Konzeptarbeit zu gewähren.
Wann es Konzepte braucht
Sei es beim Schreiben eines Textes, beim Aufsetzen einer Online-Kampagne oder beim Planen einer Messe: irgendwann kommt man immer an den Punkt, wo man bewusst oder unbewusst auf eine konzeptionelle Basis zurückgreift. Während dieses Vorgehen aus unserer Sicht zu einer ganzheitlichen Betrachtung und somit zu integriertem Marketing beiträgt, lösen wir beim Stichwort «Konzept» in manchen Projekten nach wie vor zügigen Gegenwind aus. Unnötiger Ballast, überteuerte Arbeitsbeschäftigung oder kaum messbarer Mehrwert sind nur ein paar Gegenargumente, mit welchen wir – und bestimmt auch viele andere Marketers – immer wieder konfrontiert werden. Um dann die Frage nach der Notwendigkeit zu klären, reicht vielfach ein Blick auf die Ausgangslage: operative Einzelaktivität oder strategische Massnahme? Schnell sollte dann klar werden, dass Einzelaktivitäten im Rahmen einer durchdachten Strategie umgesetzt werden. Das heisst, man bezieht sich entweder auf ein bestehendes Konzept oder entwickelt ein Neues. Das zumindest ist unsere Erfahrung und unsere Überzeugung. Oder um es in den Worten eines bekannten, römischen Philosophen und Schriftstellers auszudrücken:
«Wenn ein Kapitän nicht weiss,
welches Ufer er ansteuern soll,
dann ist kein Wind der richtige.»
Lucius Annaeus Seneca, um 4 v. Chr. — 65 n. Chr.
Ausnahmslos immer ein Konzept zu erarbeiten, hört sich dennoch erstmal ziemlich absolut an. Mit einer genaueren Betrachtung von Beginn und Ende konzeptioneller Tätigkeiten lässt sich das Ganze dann aber relativieren. Wir behaupten sogar, dass alle, welche sich über ein allfälliges Konzept Gedanken machen, bereits mit einem Bein in der Konzeptarbeit stecken. Ausserdem muss, gemäss Duden, ein «klar umrissener Plan» nicht zwingend in perfektionistisch anmutender Art und Weise daherkommen, sondern kann gut und gerne auch mal in einem skizzenhaften, knackigen 1‑Seiter abgehandelt werden. Marketing ohne Konzepte ähnelt schnell planlosem Marketing – und wer will das schon? Auf diesen Irrweg wird sich mit grosser Sicherheit niemand freiwillig einlassen. Trotzdem fallen Konzepte teilweise den fehlenden Ressourcen oder limitierten Budgets zum Opfer.
Aus Erfahrung können wir hier festhalten: Kosten für ein Konzept lassen sich einfacher begründen als Aufwände für plan- und vielfach nutzlose Marketingaktivitäten, durch welche man die Zielgruppen nicht erreicht oder schlimmstenfalls sogar verärgert. Bei Ressourcenproblemen sollte man sich ausserdem nicht von der Zusammenarbeit mit externen Partnern scheuen. Denn bereits die Betrachtung aus einem anderen Blickwinkel und die damit verbundenen Inputs sind unseres Erachtens hilfreich für jedes Marketingprojekt.
Was in Konzepte gehört
Nachdem die Notwendigkeit geklärt ist, geht es nun ans Eingemachte. Was gehört denn alles in ein Konzept? Wer jetzt eine standardisierte Auflistung der einzelnen Bestandteile erwartet, den müssen wir leider enttäuschen. Mit gutem Gewissen können wir aber behaupten, dass Copy-and-paste-Konzepte weder zielführend noch hilfreich sind. Denn auch in der Konzept-Welt lassen sich Äpfel (wie bspw. Marketing-Konzepte) nicht mit Birnen (wie bspw. Video-Konzepte) vergleichen. Will heissen, wir sehen in jedem Konzept ein auf die individuelle Ausgangslage abgestimmtes Arbeitspapier. Gleichwohl gibt es durchaus einige Komponenten, welche stets eine Bereicherung darstellen und wir deshalb auch in unserer konzeptionellen Arbeit immer und immer wieder verwenden. Bei der folgenden Auflistung verzichten wir bewusst auf die Erwähnung der üblichen Verdächtigen, wie langfristige Strategien oder smarte Ziele, und richten unser Augenmerk auf etwas weniger naheliegende Konzeptbestandteile. Es versteht sich von selber, dass sich die Erarbeitung dieser Bestandteile vor allem für umfassendere Konzepte anbietet.
Wie man Konzepte erstellt
Wir wollen es nicht schönreden: Ein Konzept zu erstellen, kann teilweise ziemliche Knochenarbeit sein. Wir greifen deshalb gerne auf ein bereits vielfach bewährtes phasenorientiertes Vorgehensraster zurück, welches sich hervorragend für die meisten Konzepte eignet.
In der Annahme, dass wir nun ein Marketingkonzept mit dem Fokus auf die Kommunikation entwickeln, gewähren wir einen groben Einblick, wie wir Schritt für Schritt vorgehen.
Bevor wir durch das Raster führen, möchten wir eine sehr relevante Erkenntnis vorwegnehmen: Obschon durchdachtes und umfassendes Planen als selbstverständlich erachtet wird, geht es in der Hitze des Gefechts immer wieder schnell und gerne unter. Schlussendlich wollen alle möglichst bald ein Ergebnis sehen: das überarbeitete Branding, die Markteinführungs-Kampagne oder den neuen Imagefilm. Diesem Druck gilt es mit voller Marketingkraft entgegen zu wirken. Nur so können kostspielige Schnellschüsse verhindert werden. In anderen – einfacher anmutenden – Worten ausgedrückt: auch unter Zeit- oder Kostendruck zuerst denken, dann umsetzen.
Phase 1:
COLLECTION & ANALYSIS
Status Quo analysieren – gemeinsames Verständnis schaffen.
Auch wenn sich ein Unternehmen per dato nicht gross um das Marketing gekümmert hat, wird es irgendwo ansatzweise oder sogar konkrete Rahmenbedingungen geben. In einem ersten Schritt schauen wir also die bestehenden Strategiepapiere des Unternehmens an und verdichten die relevanten Informationen zu allgemeinen Stossrichtungen für das Marketingkonzept. Der Fokus liegt dabei auf der Kommunikation. Es lohnt sich, interne und externe Rahmenbedingungen zu unterteilen. Beinhaltet die Strategie neben den Zielen eine Vision und eine Mission sowie ein Business Model? Werden die Werte, die Zielgruppen, der Markt und das Angebot umschrieben? Gibt es Informationen zu externen Einflüssen, wie beispielsweise Ergebnisse aus einer Marktforschung oder eine Konkurrenzanalyse? Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel aufschlussreiches Grundlagenmaterial bei seriösem Desk Research zusammenkommt. Ergänzend dazu bieten sich Interviews mit «Direktbetroffenen» aus dem Unternehmen und/oder Befragungen von bestehenden und potentiellen Kunden an. Daraus sollten sich problemlos ein Marketingfokus, kommunikative Erkenntnisse und erste Differenzierungspotenziale ableiten lassen. Und nicht vergessen: Das Ergebnis der ersten Phase sollte ein qualitativ hochstehendes Fazit der relevanten Informationen sein und nicht anhand der Informationsmenge beurteilt werden.
Phase 2:
CONCEPTION
Ideen entwickeln – Differenzierung ermöglichen.
In der Konzept-Phase braucht es nun eine Kombination aus strategischem Weitblick und kreativer Kraft. Das Unternehmen mit seinen Kunden zu verbinden, soll das erklärte Ziel aller Tätigkeiten bleiben. Hier – wie auch in vielen anderen Konzepten – geht es primär um drei tragende Säulen, welche schlussendlich dazu dienen, alle integrierten Massnahmen optimal zu stützen und einen messbaren Mehrwert, wie beispielsweise Interaktionen, zu ermöglichen. Die drei Säulen sollen nicht, wie es der Begriff vermuten lässt, starr und fix alleine ihre Wirkung erzielen, sondern sich vielmehr dynamisch und flexibel ergänzen.
Strategie
Zuerst gilt es, basierend auf dem hergeleiteten Fazit des Status quos, Marketingziele zu formulieren. Meistens geht es um Neukundengewinnung, die Förderung der Kundenbindung und/oder einer Stärkung der Marke. Von diesen Hauptkategorien leiten wir smarte Ziele ab, welche eine Fokussierung ermöglichen. Konkrete und messbare Ziele sind nicht nur eine Floskel, sondern gelten als Schlüsselkriterium für die Beurteilung des Projekterfolges. Nach der Zieldefinition geht es um die Beantwortung der Frage: Warum gibt es das Unternehmen überhaupt? Neben den bereits beschriebenen Bestandteilen (Value Proposition und CSB) führen wir den Perspektivenwechsel konsequent fort und rücken bei der Entwicklung eines Golden Circles das «Why» in den Vordergrund. Im Idealfall beschreiben wir mit dieser «Daseinsberechtigung» treffend und prägnant den kundenzentrierten Sinn des Unternehmens. Obschon das Ausholen teilweise verlockend ist, sollte man für einen guten Golden Circle praktisch nur ein Post-it benötigen. Weniger ist mehr! Die strategischen Grundlagen für das Marketingkonzept schliessen wir mit einer Marktübersicht und ‑bearbeitung, einer treffenden Positionierung gegenüber allen Anspruchsgruppen sowie einer detaillierten Beschreibung der Zielgruppen ab. Für Letzteres greifen wir auf die altbewährten – aber alles andere als veralteten – Personas zurück und machen uns dabei auf die Entdeckungsreise nach Insights.
Marke
Vertrauen, Emotionen und Erfolg – und all das steht in einer direkten Verbindung zu einer Marke. Oder wie sie David Ogilvy schon 1951 treffend betitelte «the consumer’s idea of a product». Um eine Marke nachhaltig in den Köpfen der Zielgruppen zu positionieren, erstellen wir mit der Markenidentität ein Fundament. Wer sind wir und wie differenzieren wir uns? Mit der Beantwortung soll diese Identität dann einerseits zum Ausdruck bringen, wofür ein Unternehmen steht und andererseits als Ausgangspunkt von Massnahmen nach innen (Verhalten) und nach aussen (Design und Kommunikation) dienen. Ausgehend vom Golden Circle nutzen wir hierfür die Entwicklung eines sogenannten Markensteuerrads nach Esch – will heissen, Markeneigenschaften und ‑nutzen sowie Tonalität und Markenbild. Auf dieser Basis lassen sich anschliessend die Markenwerte entwickeln. Hier bitte nicht vergessen, dass die Werte später auch in der Kommunikation sehr nützliche und relevante Stützen darstellen. Wir geben uns also nicht mit Werten wie «innovativ», «dynamisch» oder «zukunftsorientiert» zufrieden, sondern suchen nach Begriffen, welche wirklich auch die Identität aufnehmen und sich dadurch differenzieren. Die Devise lautet also mutig sein und auch von Wortschöpfungen nicht zurückschrecken.
Content
Bei der dritten Säule richten wir das Augenmerk auf die Kommunikation. Was kommunizieren wir? Wie treten wir auf? Wie und wo erreichen wir unsere Zielgruppen? Nüchtern betrachtet, widmen wir uns also der kommunikativen Vermittlung der ersten zwei Säulen. In dieser Konzept-Phase definieren wir zielgruppenorientierte Themenfelder, planen mehrwertgenerierende Inhalte und schaffen die Grundlage für stringente Botschaften. Dazu leiten wir zuerst smarte Kommunikationsziele ab und erstellen einen Marketing Funnel als Übersicht. Mit dem Einbezug der CSB berücksichtigen wir so die Kundenbedürfnisse und richten den Content dementsprechend aus. Das heisst vereinfacht gesagt, problembezogene Inhalte zum «Anziehen» der Zielgruppen, lösungsbezogene zum «Überzeugen» sowie «Gewinnen» und dann servicebezogene zum «Begeistern». Selbstverständlich braucht es für diesen Ansatz zuerst gewisse Überzeugungskraft, um dann wirklich auch Outside-in zu kommunizieren. Ein Marketing Funnel ist aber erst der Beginn. Und sollte im Unternehmen plötzlich jemand anmerken, dass diese Konzeptsäule widererwarten sehr umfassend ist, gibt es ein schlagkräftiges Argument dazu: Content is King, erst recht bei der heutigen Google-Gesellschaft! Wir können aus Erfahrung bestätigen, dass es sich lohnt. Customer Journey, Themenfelder und Keywords, Core Story, Botschaften, Content Map sowie Guidelines und Tonalität sind alles ausgesprochen hilfreiche Elemente – vor allem auch für die Umsetzung.
Phase 3:
IMPLEMENTATION PLANNING
Massnahmen planen – Implementierung vorbereiten.
Jetzt können die ersten Konzept-Früchte geerntet werden! Auch wenn einem während dem Konzipieren immer und immer wieder dieselben Massnahmen durch den Kopf schwirren, es braucht nun noch einmal unvoreingenommene Kreativität. Der Entwicklungsprozess von Massnahmen kennt kein Richtig oder Falsch. Teilweise reicht eine neutrale Betrachtung des Konzeptes und die Massnahmen springen einem regelrecht an und teilweise werden die passenden Massnahmen erst nach einem konstruktiven Austausch sichtbar. Man sollte sich auch nicht davor scheuen, bis zu diesem Zeitpunkt unbeteiligte Personen zu involvieren. Erkenntnisse im Sinne von «Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?» sollten keine Kritik darstellen, sondern vielmehr die gute Qualität des Konzeptes untermauern. In der Massnahmenplanung empfehlen wir vor der Erstellung eines detaillierten Plans, das Zusammenspiel der Hauptinstrumente skizzenhaft darzustellen. So lassen sich perfekt orchestrierte Massnahmen planen, welche später in der Umsetzung die grösstmögliche Wirkung erzielen.
Nach der Erarbeitung des Massnahmenplans steht dem Konzept nun die wirkliche Reifeprüfung bevor: Bewährt sich das auf dem Reissbrett entwickelte Vorgehen auch in der praktischen Umsetzung? Treffen die Massnahmen den Nerv der Zeit? Entfaltet das Marketing das volle Potenzial? Und werden vor allem die definierten Ziele erreicht? Das Augenmerk in den folgenden zwei Phasen des Vorgehensrasters gilt also primär der Umsetzung. Auch wenn diese Phasen ebenso interessant und wichtig sind, verzichten wir aufgrund des Konzeptfokusses auf eine Ausformulierung der Details.
Phase 4:
PRODUCTION
Mediengerechte Erlebnisse schaffen – termin- und budgetgerechte Umsetzung sicherstellen.
Phase 5:
IMPLEMENTATION
Potenziale crossmedial entfalten – markengerechte Kundenansprache gewährleisten.
Was Konzepte bringen
Aus unserer Erfahrung liefern Konzepte vielfach einen entscheidenden Impuls, um den (Marketing-) Stein ins Rollen zu bringen. Ausserdem hilft ein gelungenes Konzept den Marketers vielfach ihre Ideen, Ansprüche und Anforderungen unternehmensweit durchzusetzen – und zwar mit schlagkräftigen Argumenten. Ganz nebenbei unterstützt ein Konzept beim Erreichen von individuellen Zielen und Vorgaben und trägt dadurch zum persönlichen Erfolg bei. Wir können nicht anders als ein regelrechtes Loblied auf Konzepte anzustimmen und sehen darin ein absolut notwendiges Grundlagenpapier für etliche Marketingaktivitäten.
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