Integrierte B2B‑Marketingagentur

Matthias Jaun, Consultant
matthias.jaun@amstutz.partners

25. November 2019

Tradi­tio­nelle Content Distribution:

Licht im Dunkeln oder noch mehr Online-Schatten?

Online-Instrumente domi­nieren in der Content Distri­bu­tion. Dies unter­mauern einer­seits die exzel­lenten Performance-Zahlen und ander­seits die anhal­tende Unruhe bei Produ­zenten im Bereich der tradi­tio­nellen Distri­bu­tion. Direkt­be­trof­fene Bran­chen­ver­treter beziehen Stel­lung, reflek­tieren die Online-Dominanz und plädieren für einen opti­malen Instrumenten-Mix. Summa summarum erfor­dert eine erfolg­reiche Vertei­lung von Inhalten eine offene Denk­weise und Krea­ti­vität – losge­löst von Instrumenten.

Entweder online oder verlieren

Hohe Reich­weite, direkte Ziel­grup­pen­an­sprache und darüber hinaus gezielte Mess­bar­keit – online macht es möglich! Logi­sche Konse­quenz: auch bei der Content Distri­bu­tion thronen die digi­talen Möglich­keiten ganz zuoberst auf dem Trepp­chen. Sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich sind Social Media und Co. die meist­ge­nutzten Content-­Instrumente. Natür­lich ist das keine ­bahn­bre­chende Erkenntnis. Prak­tisch alle Marketers sind mitt­ler­weile «Digital Natives» – ob selbst ein «Einge­bo­rener» oder davon geprägter «Immi­grant». Obschon die Zahlen dazu nicht (mehr) über­ra­schen, ist die Trag­weite nach wie vor sehr eindrück­lich: Jede Minute werden 3.3 ­Millionen Beiträge auf Face­book gepostet, 500 Stunden Video auf Youtube hoch­ge­laden, 66’000 Fotos auf Insta­gram gepostet oder 450’000 Tweets auf Twitter abge­setzt. Mehr als die Hälfte der Welt­be­völ­ke­rung nutzen 2019 das Internet!

Quelle: twitter @LoriLewis@OfficiallyChadd

Linus Oertli, Online-Marketingprofi und Geschäfts­führer von Klick­werk­statt GmbH, erwähnt die «nach­hal­tigen Branding-Möglichkeiten» sowie den «breiten Marken­aufbau» als grosse Plus­punkte der Online Distri­bu­tion. Und es scheint als schreite der Gigant «Online» unauf­haltsam und in grossen Schritten stets weiter. Die digi­tale Zukunft kris­tal­li­siert sich in einer Viel­zahl an Studien als wich­tigste Heraus­for­de­rung in der Werbe­wirt­schaft heraus. Online-Themen wie die digi­tale Trans­for­ma­tion, die Marke­ting Auto­ma­tion oder die Komple­xität der Kanäle beein­flussen jetzt und zukünftig den Marketing-Alltag. Auch Oertli blickt auf eine rosige Online-Zukunft: «Als Trends sehe ich einer­seits Video-Content, GIFs, Info­gra­fiken sowie Podcasts und ander­seits an wissen­schaft­li­chen Stan­dards orien­tierte Formate wie Studien, White Papers oder Ratgeber.» Der Tenor ist unmiss­ver­ständ­lich: Wer online nicht nutzt, verliert.

Tradi­tio­nelle Content Distri­bu­tion in der Nebenrolle

Verlierer scheint es so oder so zu geben: Glaubt man den vielen Fach­bei­trägen und Exper­ten­mei­nungen über­strahlt der ­Online-Glanz die ganze Content Distri­bu­tion. Bei der Vertei­lung von Inhalten spielen die Instru­mente des tradi­tio­nellen Marke­tings angeb­lich eine verschwin­dend kleine Rolle. Wieso auch? Online performt ja – und bekannt­lich ist jeder für eine gute Show zu haben. Wenn etwas gut funk­tio­niert, sind auch Marketers Gewohn­heits­tiere. Gewohn­heiten redu­zieren Stress, halten die Struktur aufrecht und verhin­dern Entschei­dungs­zwang. Alles gute Gründe, um nicht nach Alter­na­tiven Ausschau zu halten.

Natür­lich wider­spie­gelt sich dieses Verhalten auch in den Budget-­Allokationen der Werbe­aus­gaben. Während sich die Gesamt­aus­gaben eini­ger­massen auf demselben Niveau bewegen, breiten sich dieje­nigen der Online-Instrumente fast schon rück­sichtslos weiter aus. Die Leid­tra­genden sind gröss­ten­teils im tradi­tio­nellen Marke­ting zu Hause und die Auswir­kungen augen­fällig: Der Kampf um Anzeigen in Zeitungen sowie Fach­zeit­schriften spitzt sich zu und Messen suchen verzwei­felt nach Ausstel­lern. Mitt­ler­weile haben sich diese Entwick­lungen längs­tens auch auf die Produ­zenten ausge­wirkt – bekannte Beispiele dafür sind die Schlies­sung des Ringier-Druckzentrums in Adli­genswil sowie die Millio­nen­ver­luste der Basler Messe­be­trei­berin MCH Group. Den noch bestehenden Produ­zenten im Bereich des tradi­tio­nellen Marke­tings wird fast schon fort­lau­fend das Ende vorher­ge­sagt. Dieses Ende lässt aber allen Wider­ständen zum Trotz ziem­lich hart­nä­ckig auf sich warten.

Leben Totge­sagte wirk­lich länger? Höchste Zeit «Direktbetroffene»zu Wort kommen zu lassen:

Mario Huggler

Geschäfts­führer ­EXPOFORMER AG
Produk­ti­ons­agentur Live-Kommunikation

Die EXPOFORMER AG setzt sich seit über 30 Jahren für den perfekten Marken­auf­tritt ihrer Kunden ein. Das ­Unter­nehmen mit Sitz in Bülach ist auf Dienst­leis­tungen im Messe‑, Kongress und Event­be­reich spezialisiert.

Edi Engel­berger

Geschäfts­führer
Engel­berger Druck AG

Die Engel­berger Druck AG produ­ziert und verlegt inno­vative Lösungen in gedruckter und digi­taler Form. Das eigen­ständige Fami­li­en­un­ter­nehmen aus Stans gehört seit über 120 Jahren zu den grössten Branchen­vertretern der Zentralschweiz.

Online hier, online da, online überall: Inwie­fern haben tradi­tio­nelle Content- Distri­bu­ti­ons­in­stru­mente und somit Ihr Unter­nehmen über­haupt noch eine Existenzberechtigung?

Mario Huggler: Jeder Mega­trend hat einen klaren Gegen­trend: persön­liche Treffen sind ein grosses Bedürfnis. Die Frage in der Live-Kommunikation heisst nur, wie und wo trifft man sich noch? Während grosse Messen regel­recht «zerfetzt» werden, entstehen neue, fokus­sier­tere und ziel­ori­en­tierte Formate: Fach­ver­an­stal­tungen, Firmen­an­lässe, Sympo­sien zu Spezi­al­themen und viele mehr bieten uns unheim­liche Chancen mitzu­spielen. Wo sich die Menschen treffen, können wir zurzeit nicht beein­flussen – sehr wohl aber wie! Durch geschickte, akti­vie­rende Mass­nahmen werden Anlässe mit der Online-Welt verknüpft. Aufgrund der kurzen Dead­lines sind da vor allem «One-Stop-Shop»-Anbieter sehr gefragt: Vom Bau bis zur digi­talen Insze­nie­rung und Wert­schöp­fung für den Kunden.

Edi Engel­berger: Wir stellen fest, dass die Anfor­de­rungen an Wertig­keit sowohl im Design als auch in der Ausfüh­rung markant gestiegen sind. Dadurch hat sich auch das ­Bedürfnis nach Print wieder verstärkt. Klas­si­sche Prin­ter­zeug­nisse haben also sehr wohl eine Berech­ti­gung und werden im Mix mit Online-Kampagnen weiterhin eingesetzt.

Wie erleben Sie die den Eroberungs-Feldzug der Online-Instrumente? Wie bieten Sie dem ganzen Online-Trend die Stirn? Und welchen Einfluss hat diese Entwick­lung auf Ihr Leistungsangebot?

Mario Huggler: Für uns ist es ein Segen! Je besser das Google-Ranking, desto mehr Anfragen. Die Art der Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung sowie die Wert­vor­stel­lungen von jungen Menschen hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verän­dert. Diese ­Ent­wicklung hat tatsäch­lich auch unsere Stra­tegie mit verän­dertem Leistungs­angebot geprägt: neben dem Bauli­chen bieten wir bezahl­bare und komplette Lösungen im digi­talen Aktivierungs­bereich. Von der Konzep­tion bis hin zur Ausfüh­rung mit eigenen Profis und eigener Entwick­lung – ganz nach unserem Slogan «Buil­ding ideas».
Edi Engel­berger: Selbst­ver­ständ­lich haben Online-­Instrumente ihre Berech­ti­gung. Sobald aber die nach­hal­tige Verbrei­tung einer Botschaft oder das Response Marke­ting im Vorder­grund stehen, greifen viele Kunden nach wie vor auf Print­kam­pa­gnen zurück. Um stets einen opti­malen Massnahmen-Mix anzu­bieten, haben wir unsere Leis­tungen auch entspre­chend erweitert.

Mit welchen Haupt­ar­gu­menten über­zeugen Sie Ihre Kunden von Ihren Instrumenten?

Mario Huggler: Bei der Krea­tion neuer Formate und digi­taler Akti­vie­rung halten wir uns an ein struk­tu­riertes Vorgehen. Zudem wird in unserem Ideen­labor auch das inno­va­tive (Neu-)Denken geför­dert. Schluss­end­lich können wir mit struk­turierten Daten exakte ROI-Zahlen kommunizieren.
Edi Engel­berger: Prin­ter­zeug­nisse haben zwei augen­fällige Vorteile: Einer­seits ihre Haptik und die über­ra­schende Gestal­tung, ­ander­seits ihre «Erin­ne­rungs­wir­kung». Im schnell­le­bigen digi­talen Zeit­alter hat Print grund­sätz­lich die «längere Halt­barkeit» – die Gefahr des unbe­ach­teten Wegkli­ckens besteht nicht.

Gibt es ein exem­pla­ri­sches Refe­renz­pro­jekt, welches die Vorteile Ihres Leis­tungs­an­ge­botes eindrück­lich dokumentiert?

Mario Huggler: Kürz­lich haben wir mit unserem preis­gekrönten «Promo­tainer» die Immo­bi­li­en­branche etwas aufge­wirbelt. Basie­rend auf der Technik unseres «Virtual ­Promo­tors» entwi­ckelten wir eine «Virtual»-Containerlösung für statio­näre Outdoor-Einsätze. Den Container instal­lierten wir für Livit vor einem Überbauungs-Neubau. So konnten sich die Passanten mittels Gesten­steue­rung über die Wohnungs­de­tails infor­mieren. Die hohe durch­schnitt­liche Verweil­dauer von über drei Minuten zeugte von einer sehr ziel­grup­pen­ori­en­tierten Kommuni­kation. Zudem wurde das moderne Image der Über­bauung aktiv gefördert.
Edi Engel­berger: Da gibt es einige: Viele Auto­mo­bil­firmen versenden immer noch zweimal jähr­lich Werbe­bro­schüren in grosser Auflage. Mit Perso­na­li­sie­rungen und verschie­denen regio­nalen Sorten werden poten­ti­elle Kunden so zu einem Ausstel­lungs­be­such animiert. Nach wie vor eindrück­lich sind auch die Rück­lauf­zahlen von gedruckten Gutscheinen und Coupons.

Welche Erfah­rung machen Sie in Gesprä­chen mit Kunden und Part­nern? Haben Sie inter­es­sante Aussagen von Kunden zu diesem Thema?

Mario Huggler: Viele Unter­nehmen stehen in einem Konflikt: immer digi­taler und somit «sexy» sein aber immer weniger Budget. Bei Live-Auftritten ist ein schlichter Bild­schirm mit Content noch lange nicht «digital». Für ein Live-Erlebnis, welches idea­ler­weise viral geht, braucht es aussa­ge­kräf­tige Daten. Diese müssen im Nach­hinein messbar und viel wich­tiger noch, verwertbar sein. Ohne solche Ziel­set­zungen sind die meisten Anstren­gungen umsonst.
Edi Engel­berger: Ein grosser Teil der Kunden plädiert für einen opti­malen Mix an Instru­menten. Viel­fach erzielen sie nur mit online nicht die gewünschte Wirkung. Unter­nehmen oder Insti­tu­tionen, welche vermehrt oder nur noch online kommu­ni­zieren, machen dies aufgrund ideo­lo­gi­schen, ökolo­gi­schen oder Kosten­gründen – sie beur­teilen es kaum als bessere Lösung.

Sehen Sie Chancen oder Trends, welche helfen Ihr Angebot von Online-Instrumenten zu differenzieren?

Mario Huggler: Wir sehen sehr viele Chancen! Die Details erar­bei­teten wir in unserer Blue-Ocean-Strategie, welche ver­ständlicherweise nur für den internen Gebrauch gedacht ist. Wo wir stehen und wie weit wir schon sind, kann man in unserem komplett reno­vierten und umge­bauten Show­center in Bülach bestaunen.
Edi Engel­berger: Wir sind der Über­zeugung, dass ein opti­maler ­Instrumenten-Mix die wich­tigste Voraus­set­zung für erfolg­reiche Content Distri­bu­tion ist. Dank perso­na­li­sierten Produkten und guten Rück­lauf­quoten wird man auch wieder stärker auf Print setzen. Ausserdem sind wir der Meinung, dass sich im Online-Bereich aufgrund des Über­an­ge­bots an Content die Ziel­grup­pen­an­sprache weiter erschwert. Der Trend zu vermehrter Online-­Kommunikation wird infol­ge­dessen wieder abnehmen.

Bild: shut­ter­stock

Online ist Silber, Instrumenten-Mix ist Gold!

Sind die Instru­mente der tradi­tio­nellen Content Distri­bu­tion die Verlierer? Dieje­nige der Online Distri­bu­tion die Gewinner? Weder noch! In Anbe­tracht der Aussagen der Bran­chen­ver­treter haben beide Distri­bu­ti­ons­arten sehr wohl ihre Berech­ti­gung. Das ulti­ma­tive Instru­ment gibt es nur in Ausnah­me­fällen. Und genau dieser einfache Gedan­ken­gang ist entschei­dend: Es braucht ein ausge­prägtes Bewusst­sein für alle Instru­mente – ein Blick über den Teller­rand ist dabei Gold wert. Jede Kampagne, jede Marke, jedes Unter­nehmen ist unter­schied­lich. Die Ziel­gruppen, geschweige denn die einzelnen Empfänger erst recht. Gesucht wird in vielen Fällen ein Mix, bei welchem sich alle Mass­nahmen gegen­seitig befruchten und einer, der das «Ankommen» des Contents beim Empfänger opti­miert. Das heisst, man nutzt bei den Instru­menten die Vorteile des einen, um die Nach­teile des anderen auszu­glei­chen. Krea­tiver Spiel­raum ist genü­gend vorhanden! Ganz nach dem Grund­satz «das eine tun und das andere nicht lassen». Marketers produ­zieren nicht nur Content für Menschen, sondern verteilen ihn auch an Menschen. Und genau deshalb ist auch hier eine offene Denk­weise – verbunden mit Krea­ti­vität – so essen­tiell. Selbst­ver­ständ­lich bietet das breite Spek­trum an Distri­bu­ti­ons­in­stru­menten grosse Chancen für die Krea­tion von wirkungs­vollen Kampa­gnen. Mehr Chancen heisst aber nicht auto­ma­tisch weniger Heraus­for­de­rungen – die Content Distri­bu­tion ist und bleibt anspruchsvoll.

Ein Beispiel aus der Praxis

Mit dem opti­malen ­Instrumenten-Mix zum cross­me­dialen Erfolg:
Wie zwei Kult-Steinböcke zum Kinderbuch-Bestseller wurden.